„Die Letzten Tage Der Menschheit“

Es gibt Theater-News! Ab 24. Juni habe ich die Ehre, „Die Letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus in der Belgienhalle in Spandau spielen zu dürfen. 

In der Berliner Wiederaufnahme dieses „Gesamtkunstwerks“ (Zitat ‚Spiegel‘) unter der Regie von Paulus Manker, darf ich in den jeweils 7,5 Stunden(!) pro Vorstellungs-Abend, die volle Absurdität des 1. Weltkriegs vor Augen führen:

Aber man merkt schnell: „Polydrama“ und „Simultantheater“, wie Manker es auf die Bühne bringt, ist fordernd. Konfus? Ja. Gerade deshalb passend zu „Die letzten Tagen der Menschheit“? Absolut. Stimmig auch für heutige Tage der Menschheit? Perfekt. So viele Schauplätze, so viele Stimmen, so viele Kammerstücke im großen Spiel. Nur nichts verpassen! Wo sich hinwenden? „Die letzten Wandertage der Menschheit“, spottet ein Herr der Wiener Seitenblickegesellschaft, als er zum zweiten Mal der Lokomotive hinterhertrottet, die zur Gstättenwiese vor der Halle fährt, dem Schauplatz für ein Schlachtfeld an der Südwestfront. 

Das Publikum wird zur „embedded audience“, eingebettet in die Theaterkompanie, so wie Alice Schalek im Ersten Weltkrieg der Prototyp für den „embedded journalist“ wurde, die Kriegsberichterstatterin, die nicht über, sondern aus dem Krieg schrieb. 

Der kürzlich verstorbene Karl-Kraus-Biograf Edward Timms hatte recht: „Die letzten Tage“ sind „ganz bestimmt kein Drama, das für stumme Buchseiten bestimmt ist“. Es ist eine Tragödie, die in eine Halle hineingeschüttet gehört, eine Aufführung, in der es nach Eisen riecht, nach Feld, nach Rauch, in der das Wachs der Fackeln auf den Händen klebt und Schweiß auf den Schläfen, und in der das Publikum nickt, wenn die Schalek sagt: „Ich hab noch nie vorher so übermächtig gespürt, was das Hiersein bedeuten kann!“

Salzburger Nachrichten, 16. Juli 2018